„Mama, das wäre doch was für dich!“

 

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Verein „Seniorpartner in School“ bildet Mediatoren aus – Vermittler bei Konflikten in Grundschulen
Von Marion Gottlob

Bundesweit ist das Programm „Seniorpartner in School“ bereits erfolgreich: Mediatoren der Generation 55-plus sind ehrenamtlich in Schulen tätig und vermitteln bei Konflikten zwischen Schülern. Auch in Heidelberg gibt es die Initiative, die während Corona aber fast zum Stillstand kam. Nun setzen Dagmar Sauter und Doris Steger einen Neustart in Gang. Sie selbst haben kürzlich die Mediatoren-Ausbildung absolviert; im Herbst starten neue Kurse. „Das Programm ist eine Brücke zwischen den Generationen“, werben die beiden. „Die Kinder lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, und die Mediatoren erleben die Freude am Kontakt mit der jungen Generation und die Wirksamkeit ihres Engagements.“

Doris Steger ist Steuerberaterin und hat beruflich schon häufig Aufgaben der Mediation übernommen. Doch für ihr Engagement in dem Programm war eine private Begegnung der Auslöser. Auf der Straße wurde sie Zeugin, wie ein älteres Mädchen einen Jungen geschlagen und zu Boden geworfen hat. Das Mädchen zog den Jungen hinter sich her, sodass er sich auf dem Asphalt Verletzungen im Gesicht zuzog. Doris Steger mischte sich ein und sprach mit den Kindern. „Es waren Geschwister. Das Mädchen sollte ihren Bruder zur Ferienbetreuung bringen, aber der Junge wollte nicht.“ Die Heidelbergerin bestand darauf, dass die Mutter kam, um den Streit zu schlichten. Nur zwei Tage später fragte sie in dem Projekt wegen der Ausbildung zur Schulmediatorin an. „Ich war ratzfatz angemeldet.“ Heute ist sie Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg, der in Heidelberg seinen Sitz hat.

Die Psychotherapeutin Dagmar Sauter erfuhr über ihre Tochter von dem Seniorparner-Programm. „Mama, das wäre doch was für dich!“ Denn ihre Mutter hatte selbst die Schule gerne besucht und ihre drei Kinder engagiert durch die Schulzeit begleitet.

Die Ausbildung ist speziell auf Grundschulkinder abgestimmt. Der Fokus liegt auf der Vermittlung von Techniken der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg, die mit unterschiedlichen Materialien wie zum Beispiel mit Gefühlsmonsterkarten oder mit der „Giraffensprache“ arbeitet. „Die Giraffe ist ein sanfter Riese mit Weitblick, und sie besitzt unter den Landtieren das größte Herz“, erklärt Dagmar Sauter. Die Kinder können sich oft leicht mit dem Tier identifizieren und lernen über die „Giraffensprache“, die Ursachen ihrer Konflikte zu erkennen und selbst Lösungen zu entwickeln: „Was fühlst du in deinem großen Herzen? Was wünschst du dir? Wie sagst du es mir?“

Ein Beispiel: Zwei Jungen stritten sich fast jeden Tag, weil einer beim anderen ständig die Hausaufgaben abschreiben wollte. Doch der andere Schüler mochte nicht regelmäßig abschreiben lassen. Im „Giraffengespräch“ wurde klar: Der fleißige Schüler sah es nicht ein, dass er sich jeden Nachmittag mit seinen Hausaufgaben Mühe gab und ein anderer unehrlich davon profitierte. Der Abschreiber hatte wiederum nachmittags keine Zeit, um die Hausaufgaben zu erledigen, weil er auf die Geschwister aufpassen musste. Außerdem gab es daheim keinen Platz, an dem er regelmäßig die Hausaufgaben erledigen konnte.

Mithilfe der Giraffensprache fanden die Jungen einen Kompromiss: Der Abschreiber erkannte, dass das Abschreiben nicht hilft, denn er lernte so nicht den Schulstoff. Doch der andere Schüler war bereit, einmal pro Woche mit dem schwächeren Schüler die Hausaufgaben gemeinsam zu machen und zu lernen. Damit das möglich wurde, wurden auch die Eltern in die Mediation einbezogen.

Doris Steger erklärt: „Die Mediatoren haben Zeit und Geduld für die Kinder, sie bieten einen geschützten Raum.“ Sie zwingen trotz und gerade wegen ihrer Lebenserfahrung den Kindern keine Lösungen auf.

Die Ausbildung umfasst 96 Stunden in drei Blöcken. Es geht um theoretische Kenntnisse und praktische Rollenspiele. Der Kurs ist für die Teilnehmer kostenlos. Wer an dem Kurs teilnimmt, verpflichtet sich, als Mediator an einer Heidelberger Grundschule mindestens anderthalb Jahre lang einmal pro Woche zu arbeiten.

Infos unter der Mail d.steger@sis-bw.de oder im Internet unter www.sis-bw.de.

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Bildinformation: Die Mediatoren Dagmar Sauter (l.) und Doris Steger zeigen Kindern mithilfe eines Stofftiers, wie man in der „Giraffensprache“ Konflikte besprechen und lösen kann.
Die Mediatoren Dagmar Sauter (l.) und Doris Steger zeigen Kindern mithilfe eines Stofftiers, wie man in der „Giraffensprache“ Konflikte besprechen und lösen kann. Foto: Rothe

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